Unser Forderungskatalog

 

Das muss sich ändern ...

Problematik der autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen (Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis)

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit diesem Forderungskatalog möchten wir Sie auf die Problematik von zahlreichen Schilddrüsenkranken aufmerksam machen. Die aktuelle Situation ist insbesondere für uns Betroffene der autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen - mehr als 10 % der Bevölkerung, davon 90 % Frauen - katastrophal. Dies ist kein gesellschaftliches Randthema, wie Sie vielleicht denken, sondern jeder Fünfte der deutschlandweit rund 8.000.000 Morbus-Basedow-Erkrankten oder Hashimoto-Thyreoiditis-Betroffenen leidet unter anhaltenden gesundheitlichen Beschwerden, die neben den erheblichen Einbußen an Lebensqualität nicht selten eine eingeschränkte berufliche Leistungsfähigkeit zur Folge haben oder sogar zur Erwerbsunfähigkeit führen können.

Als selbst betroffene PatientInnen unterstützen wir deshalb die nachfolgenden 14 Forderungen.

1. Anerkennung der Variationsbreite von Schilddrüsenerkrankungen

Die verschiedenen Krankheiten der Schilddrüse werden nur selten als komplexe, chronische Erkrankungen wahrgenommen, sondern meist als symptomarme, einfach zu behandelnde Befindlichkeitsstörungen gesehen. Aber es gibt insbesondere unter uns Betroffenen der autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen etliche Fälle, die nicht ins übliche Behandlungsschema passen und trotz normaler Schilddrüsenparameter mit lang anhaltenden Beeinträchtigungen und Verlusten der Lebensqualität zu kämpfen haben. Doch auch dauerhaft erheblich durch eine Hashimoto-Thyreoiditis oder einen Morbus Basedow beeinträchtigte Personen werden nicht von allen Krankenkassen als chronisch krank eingestuft. Dies bedeutet, dass die Zuzahlung zu Medikamenten für viele von uns 2% statt 1 % des Bruttoeinkommens beträgt.

2. Bewilligung eines Schwerbehinderungsgrades bzw. einer Erwerbsunfähigkeitsrente

Selbst schwer erkrankte und dadurch arbeitsunfähige Personen haben derzeit keine Chance, allein aufgrund eines Morbus Basedow oder einer Hashimoto-Thyreoiditis einen Schwerbehinderungsgrad oder eine Frührente erfolgreich zu beantragen. Dies sind unhaltbare Zustände, die uns Betroffene in extreme finanzielle Notlagen bringen und uns zwingen, teilweise unter erheblichen Repressalien Sozialleistungen zu beanspruchen.

3. Pflicht zur Schilddrüsendiagnostik vor der Behandlung mit Psychopharmaka

Schilddrüsenfunktionsstörungen werden häufig als psychosomatische oder psychische Erkrankungen fehl gedeutet. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Schilddrüsenkrankheiten Frauenkrankheiten sind. Frauen werden deutlich eher als Männer als psychisch krank eingestuft. Umso wichtiger ist es, dass zukünftig vor jeder Verordnung von Psychopharmaka oder dem Einleiten einer Psychotherapie eine gründliche Untersuchung der Schilddrüse (Laboranalyse + Sonografie) zur absoluten Pflicht wird. Unabhängig davon kann Betroffenen neben der Behandlung mit Schilddrüsenmedikamenten eine unterstützende Psychotherapie und/oder der zeitlich begrenzte Einsatz von Antidepressiva bei der Bewältigung der Schilddrüsenerkrankung helfen.

4. Bessere Aus- und Fortbildung der Ärzte

Immer noch kommt es viel zu häufig vor, dass Schilddrüsenkranke mit ihren Symptomen nicht ernst genommen, unzureichend oder sogar falsch behandelt werden. Da wird die Hypothyreose für eine Depression oder ein Burn-Out-Syndrom gehalten, die Schilddrüsenvergrößerung beim Morbus Basedow bzw. der Hashimoto-Thyreoiditis als Jodmangelstruma therapiert oder die Symptome der Autoimmunerkrankung als Fibromyalgie fehldiagnostiziert. Deshalb ist eine verbesserte Aus- und Fortbildung der Ärzte sowie eine Überarbeitung veralteter Lehrbücher und Studienordnungen dringend erforderlich. Wir sind außerdem der Meinung, dass eine unabhängige Aus- und Weiterbildung im Vordergrund stehen sollte, die von den Ärzten selbst und nicht von Unternehmen der pharmazeutischen Industrie finanziert werden sollte.

5. Zügige Umsetzung neuer Erkenntnisse

Anlässlich verschiedener Studien wird seit Jahren über eine Absenkung der Obergrenze des TSH-Normbereichs (von 4 – 4,5 mU/l auf 2 - 2,5 mU/l) nachgedacht und diskutiert. Wir fordern, dass die Spanne von 2 – 4 mU/l als Graubereich gekennzeichnet und eine Therapie eingeleitet wird, wenn charakteristische Unterfunktionssymptome bestehen.

6. Schilddrüsenvolumen: Festlegung von Untergrenzen

Bei der Sonografie wird u. a. die Schilddrüsengröße bestimmt. Dazu wird für jeden Schilddrüsenlappen das Volumen nach folgender Formel berechnet: Länge (cm) x Breite (cm) x Tiefe (cm) x 0,5 = Volumen (cm3). Anschließend werden beide Werte addiert. Das Ergebnis wird in Relation zu den Richtwerten gesetzt. Diese legen fest, dass bei Männern die Schilddrüse bis 25 ml und bei Frauen bis 18 ml groß sein darf, wobei nach neueren Erkenntnissen davon auszugehen ist, dass die Schilddrüsenvolumina insgesamt etwas abgenommen haben. Das Problem: Es gibt zwar die genannten Obergrenzen, aber es gibt keine Untergrenzen. Es ist also nur geklärt, wann eine Schilddrüse zu groß, nicht aber wann eine Schilddrüse zu klein ist. Bei Krankheiten, die zu einer Verkleinerung des Organs führen wie z. B. eine atrophe Hashimoto-Thyreoiditis, wäre eine solche Untergrenze dringend erforderlich und sollte aus diesem Grund baldmöglichst eingeführt werden.

7. Vereinheitlichung der Schilddrüsen-Laborwerte

Was die Einheiten der typischen Schilddrüsen-Laborwerte betrifft, gibt es von Labor zu Labor sehr große Unterschiede, so dass es oft nicht möglich ist, von verschiedenen Ärzten bzw. Kliniken gemessene Werte zu vergleichen. Bislang ist es deshalb immer notwendig, zu jedem gemessenen Wert die Einheit sowie den Referenzbereich mit anzugeben. Insbesondere die unterschiedlichen Referenzbereiche für das TSH führen dazu, dass ein Patient mit einem TSH von 3,0 mU/l von einem Arzt als behandlungsbedürftig und von einem anderen als schilddrüsengesund beurteilt wird. Es ist absolut unverständlich, dass hier nicht wenigstens die Angleichung von Messverfahren, Einheiten und Referenzbereichen angestrebt wird.

8. Kennzeichnungspflicht bei der Jodierung von Lebensmitteln

Es gibt berechtigte Zweifel daran, dass das Spurenelement Jod für sämtliche Bevölkerungsgruppen (also auch für Personen mit einer genetischen Veranlagung zur Entwicklung einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse oder solchen die bereits an einem Morbus Basedow oder einer Hashimoto-Thyreoiditis erkrankt sind) tatsächlich unbedenklich ist. Solange diese Frage nicht abschließend geklärt ist, darf es keine flächendeckende Jodierung von Lebensmitteln geben und muss zugesetztes Jod in jedem Fall, d. h. auch bei lose verkauften Wurst- und Backwaren wieder deklarationspflichtig werden. Denn nur so haben diese Personenkreise die Möglichkeit eine jodreduzierte Ernährung einzuhalten.

9. Mehr Forschung und bessere Behandlungsmöglichkeiten

Die Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse sind unheilbare Erkrankungen, deren Ursache bisher nicht behandelt werden kann. Aufgrund dessen wäre es absolut wünschenswert, wenn es intensivere Forschungsbemühungen in diesem Bereich gäbe, damit eines Tages bessere Medikamente, z. B. mit Retardfunktion, zur Verfügung stehen. Da es momentan kaum Forschungsprojekte in diesem Bereich gibt, ist in naher Zukunft allerdings nicht mit einem entscheidenden Durchbruch zu rechnen. Neue Medikamente werden fast ausschließlich durch Pharmaunternehmen entwickelt. Deren Zielsetzung orientiert sich, wie bei allen privaten Wirtschaftsunternehmen, aber nicht am Wohle des Patienten, sondern am zu erwartenden Profit bei der Vermarktung eines Medikaments.

10. Regelmäßige und ausreichende Kontrolluntersuchungen

Bislang ist noch nicht einmal gewährleistet, dass bei uns schilddrüsenkranken Patienten alle 6 Monate eine Kontrolle der notwendigen Schilddrüsenwerte (TSH, fT3 und fT4) sowie einmal jährlich eine Schilddrüsensonografie erfolgt. Diese katastrophale medizinische Betreuung hat für uns Betroffene unnötige gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge.

11. Kostenübernahme alternativer Therapien

Die aktuell durch die gesetzlichen Krankenkassen erstattungsfähigen Behandlungsmethoden sind insbesondere für uns Betroffene der autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen (Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis) bei Weitem nicht ausreichend. Schon jetzt ist es eine Frage der persönlichen Einkommenssituation, inwieweit sich die oft sehr beeinträchtigenden Krankheitssymptome z. B. durch die Einnahme des Spurenelementes Selen lindern lassen, dessen Nutzen in mehreren voneinander unabhängigen Studien zumindest bei sehr hohen Antikörper-Titern nachgewiesen wurde. Aufgrund des geringen Nebenwirkungspotentials ist deshalb mindestens der versuchsweise Einsatz gerechtfertigt, aber die gesetzlichen Krankenkassen weigern sich hartnäckig, die Kosten dafür zu übernehmen.

12. Kein Präparatewechsel bei gut eingestellter Schilddrüsenfunktion

Seit April 2007 müssen wir Patienten einen Wechsel bei unseren Schilddrüsenhormonpräparaten akzeptieren, wenn unsere Krankenkasse einen Rabattvertrag mit einem anderen Hersteller abgeschlossen hat. Aufgrund der unterschiedlichen Bioverfügbarkeit der einzelnen Medikamente kann dies aber sowohl zu ungünstigeren Blutwerten als auch zu einem deutlich verschlechterten Befinden führen. Dadurch wird eine zeit- und kostenintensive Neueinstellung der Schilddrüsenhormondosis erforderlich.

13. Mehr Sorgfalt bei der Verordnung von Arzneimitteln

Es kommt häufiger vor, dass auch bei den autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen ein Jod-Levothyroxin-Kombinationspräparat zur Behandlung einer Schilddrüsenunterfunktion eingesetzt wird. Jod ist für die Therapie beim Morbus Basedow und bei der Hashimoto-Thyreoiditis nicht nur ungeeignet, sondern es bedingt eine gravierende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs. Darüber hinaus werden aus unserer Sicht die Wechselwirkungen zwischen Schilddrüsenmedikamenten und weiteren Arzneimitteln sowie die Gesundheitsgefährdung durch Immunstimulanzien und Jod in Medikamenten bzw. Nahrungsergänzungsmitteln unterschätzt.

14. Berücksichtigung des finanziellen Mehrbedarfs

Bei den autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen kommt es in einigen Fällen krankheitsbedingt zu einem erheblichen finanziellen Mehrbedarf, der bei der Gewährung von Sozialleistungen berücksichtigt werden sollte. Dazu gehören insbesondere die Aufwendungen für erforderliche Nahrungsergänzungsmittel sowie für eine jodarme Ernährung.

Wir hoffen auf Ihre Unterstützung, um die Situation für uns Betroffene der autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen nachhaltig zu verbessern. Vielen Dank!

 


Den Forderungskatalog als Flyer sowie die Liste der mehr als 30 Selbsthilfeinitiativen, die mitgewirkt haben, finden Sie hier:

www.schilddruesenguide.de


Ich danke Ihnen für Ihr Interesse!

Norbert Nehring - Arbeitskreis Prophylaxe-Transparenz e. V.

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